Für jedes Stück Fleisch, das wir verkaufen oder selber essen, musste ein Tier sein Leben lassen. In diesem Beitrag möchte ich aufzeigen, wie bei uns ein Schlachttag abläuft.
Ein paar Tage vor dem Termin widme ich dem ausgewählten Tier etwas mehr Zeit. Ich nenne ihn „Greg“. Die Ohrmarken werden kontrolliert und bei Bedarf nachmarkiert. Das Fell gestriegelt und gebürstet. Ich vermeide zu viel Sichtkontakt und verhalte mich möglichst wie immer. Einen Tag vorher mache ich den Viehanhänger bereit, streue ein und lege etwas Heu in den Wagen. Im Stall richte ich mit Gattern ein Abteil zum separieren ein.
Die letzte Nacht verbringt Greg wie gewohnt im Stall oder auf der Weide zusammen mit seinen Freunden. So gegen acht Uhr am Morgen macht er sich, zusammen mit der Herde, auf den Weg zum Fressen in den Stall. Etwa gegen 08.30 beginnt für Greg das Ungewöhnliche. Mit Futter oder Striegel locke ich Greg in das Gatter. Die Gatter lassen sich schnell verschieben, so das Greg zwar getrennt von den anderen aber mit Sichtkontakt und der Möglichkeit weiter zu fressen, separiert ist. Da ich meistens erst um 10 Uhr beim Metzger sein muss, lasse ich Greg mit der neuen Situation noch etwas in Ruhe.
Gegen 9 Uhr beginnen wir mit dem Verladen. Greg musste in seinem leben nie in einen Anhänger steigen oder an einem Halfter laufen und wird es auch jetzt nicht freiwillig tun. Ich stosse das Gatter zum Anhänger auf, Greg wird nervös und versucht in die entgegengesetzte Richtung zu fliehen. Das Gatter stoppt sein Vorhaben. Es gäbe einige Handgriffe oder Hilfsmittel um Greg mit Gewalt zu verladen. Dies ist aber nicht unsere Art. Wir nehmen ein 20 Meter langes und etwa 40 mm dickes Wellenseil und führen es durch eine Öse zuvorderst im Anhänger. Das eine Ende lege ich Greg über die Hörner und am anderen Ende halten es zwei Personen fest. Nun versuche ich, den immer mehr gestressten Greg Richtung Anhänger zu locken oder drücken. Es geht langsam vorwärts. Mit dem Seil wird nicht gezogen sondern verhindert, dass Greg zurückweichen kann. Nach etwa 10 -15 Minuten steht Greg im Anhänger und kann mit dem Halsriemen angebunden werden. Das Wellenseil wird entfernt. Greg versucht noch sich loszureissen, scheitert aber. Die Türen des Anhänger sind verriegelt.
Ich kontrolliere noch die Begleitdokumente und unsere „Wunschliste“ für den Metzger. Die Fahrt dauert eine halbe Stunde. Wie es Greg im Anhänger geht, kann ich nur erahnen. Mich beruhigt die Fahrt um den Irchel, die Thur Auen und den grossen Wald vor Rheinau wieder etwas. Das Schlachthaus in Rheinau liegt unten beim Klosterplatz. Rückwärts fahre ich den Anhänger an die Eingangstür des Schlachthauses. Ich schaue wie es Greg geht, kraule ihn ein letztes mal, bedanke mich für die Zeit mit ihm und sage Tschüss. Der Veterinär schaut sich die Dokumente an und überprüft den Zustand von Greg. Hinter dem verschlossenen Anhänger laufen die Vorbereitungen für den Schlachtprozess. Der Kettenzug ist ausgefahren, die Türverriegelung gelöst und zwei Betäubungsgeräte geladen. Der Metzger steigt vorne beim Anhänger auf eine Kiste, fragt nach dem Namen des Tieres und spricht noch ein paar Worte mit Greg bevor er das Betäubungsgerät ansetzt. Ein Knall ertönt und Greg sackt betäubt zu Boden. Schnell mache ich die Anhängertür und das Absperrgitter auf. Renne zum Kopf und tippe mit dem Finger auf ein Auge – kein Blinzeln, die Betäubung wirkt. Ich löse den Halsriemen und gleichzeitig befestigt der Metzger den Kettenzug an einem Bein von Greg und zieht in aus dem Anhänger, hoch an die Schlachthausdecke. Mit dem Kehlschnitt endet das Leben von Greg.
Der Wandel vom Lebewesen zum Lebensmittel erfolgt unter den Augen des Veterinärs und von mir. Schnell und ruhig erledigen die Metzger ihre Arbeiten bis am Schluss die zwei Schlachthälften im Kühlraum verschwinden. Ich tausche mich noch mit dem Veterinär bezüglich Weideparasiten oder eventuelle sonstige Anomalien bei Greg aus. Alles im üblichen Rahmen. Die zwei Hörner haben mir die Metzger schon abgeschnitten und ich nehme diese mit nach hause. Ich verabschiede mich von allen und bedanke mich für die saubere Arbeit. Die Heimfahrt ist für mich bedeutend entspannter.
Ich war dabei als Greg auf die Welt gekommen ist. Ich habe mich um ihn gekümmert und mit ihm Zeit verbracht. Ich fühle mich verpflichtet, auch auf seinem letzten Weg dabei zu sein.